Employer Branding für den Mittelstand

Frau steht in einer Fertigungshalle einer Firma

So können KMU ihre Arbeitgeberattraktivität steigern

Soll ich mit Gratis-Obst werben, wenn andere drei Kantinen haben? Oder preise ich 2 Tage Home Office pro Woche an, wenn woanders 100 % Vertrauensarbeitszeit herrscht? In Sachen Benefits können kleine und mittelständische Unternehmen mit großen, internationalen Konzernen oft nicht mithalten. Die haben mehr Budget und mehr Personal und darüber hinaus ein Image, das weltweit Talente anzieht.   So weit, so ernüchternd. Für den Mittelstand. Doch auch kleine und mittelständische Unternehmen können auf sich aufmerksam machen, Talente gewinnen und ihre Bekanntheit als attraktiver Arbeitgeber steigern.    

Wenig Budget 

Für Personalmarketingkampagnen kann man schnell sehr viel Geld ausgeben, zum Beispiel für aufwändige Kommunikationsmaßnahmen. Die können wirken, müssen aber nicht. Nämlich dann, wenn es an einer soliden Arbeitgeberpositionierung mangelt oder wenn die Zielgruppe nicht oder nur peripher angesprochen wird. Heißt umgekehrt: ein knappes Budget kann Unternehmen dazu bringen, Ressourcen besser zu planen und nutzen.    Wer, bevor drauf los kommuniziert wird, erst einmal scharf stellt, worin die Arbeitgeberidentität besteht und wer die Zielgruppen mit all seinen unterschiedlichen Bedürfnissen erfasst, kann gezielter in die Ansprache gehen.   Talente haben komplett unterschiedliche Vorstellungen davon, was einen Arbeitgeber attraktiv macht. Während sich Vertrieber vor allem für Bonus und Gehaltsentwicklung interessieren, suchen Pflegekräfte gute Arbeitsbedingungen wie Regelungen im Schichtbetrieb oder Betreuungsquote. IT-Fachkräfte wiederum wollen erstklassige technologische Rahmenbedingungen. Und dann gibt es noch lebensphasenbezogene Unterschiede. Berufsanfänger definieren Attraktivität anders als junge Eltern oder Menschen, die über 50 sind. Wer für die jeweils gesuchte Gruppe den Mehrwert klar und konkret herausstellen kann, muss nicht zwangsweise viel Geld dafür ausgeben, nur viel Denkarbeit reinstecken.  Kurzum: Ein strategisches Vorgehen ist entscheidend, entscheidender als Budget. Laut Studie folgen aktuell nur 50 % der Unternehmen einer Strategie. Der Rest ist aktionistisch unterwegs, gibt also Geld aus für Dinge, die am Ende womöglich gar nichts oder nicht das Erwünschte bringen.     

Zu klein, zu unbekannt 

SAP kennt jeder, aber Ingram Micro? Beide sind im IT-Business, beide sind sogar international aufgestellt. Und doch kennen die meisten höchstwahrscheinlich nur SAP. Mit einer staken Marke werden allerlei Vorteile assoziiert: Arbeitsplatzsicherheit, gutes Gehalt, viele Benefits, internationale Entwicklungsmöglichkeiten usw. Das mag auch stimmen, und doch heißt das nicht, dass kleinere Firmen hier nichts zu bieten hätten.   Sie müssen es nur nach außen tragen. Nur etwa die Hälfte der mittelständischen Unternehmen in Deutschland sind innerhalb und außerhalb ihrer Region bekannt. Sie bleiben oft als anonyme Arbeitgeber im Hintergrund, was es potenziellen Fachkräften erschwert, sie wahrzunehmen.  Dabei spielt der Faktor Marke laut Studie für Talente gar keine so große Rolle. 95 % der Bewerbenden ist der Bekanntheitsgrad des Unternehmens egal. Wichtig ist allerdings, dass Talente vom Unternehmen überhaupt erfahren.     

Die haben was, was ich nicht habe 

Arbeitsplatzsicherheit können die meisten KMU ebenfalls bieten – vor allem in Branchen wie IT, Pharma oder Automotive. Und die Möglichkeiten sich als Angestellter zu entwickeln, stehen denen im Konzern in keiner Weise nach. Während man im Konzern schnell untergeht, weil man einer von vielen ist, findet man im Mittelstand eher Gehör. Oft dürfen schon unerfahrene Mitarbeitende in wichtige, große Projekte rein, ggf. sogar Projekte leiten. Sie müssen sich weniger um „Politik“ kümmern, einfach weil die Strukturen kleiner, die Kommunikationswege kürzer sind. Wer etwas verändern, bewegen will, hat gute Chancen, dies tun zu dürfen, weil Dinge noch nicht so festgefahren, weniger etabliert sind.     

Mit (diesen) Werten punkten 

Eine familiäre Atmosphäre, ein spürbarer Zusammenhalt, das sind Aspekte, die Mitarbeitende in diesen Firmen wertschätzen und nicht mehr missen wollen. Nicht selten kennen sich Angestellte auch privat, weil sie aus einer Region sind; es kommt sogar vor, dass mehrere Familienmitglieder in einer Firma arbeiten.   Eine Studie aus dem Jahr 2022 ergab sogar, dass die räumliche Nähe zum Arbeitgeber für mehr als jeden zweiten Arbeitssuchenden ein entscheidendes Kriterium ist. Für den Mittelstand eine Chance, denn er ist im Vergleich zu Großkonzernen geografisch dezentraler aufgestellt. Viele mittelständische Unternehmen befinden sich in ländlicheren Gegenden oder dem städtischen Umland. Vor diesem Hintergrund gewinnt auch das Konzept „Mitarbeitende werben Mitarbeitende“ eine neue Bedeutung.   Um beim Thema Familienfreundlichkeit zu punkten, können mittelständische Unternehmen über den gesetzlichen Anspruch hinausgehenden Sonderurlaub bieten. Oder geeignete Arbeitszeitregelungen für jene Angestellten, die Kinder betreuen müssen. Es muss nicht gleich – das haben in der Regel nur sehr große Unternehmen – eine hauseigene Kita sein; eine dezidierte, individuelle Unterstützung bei der Kinderbetreuung ist auch viel Wert.   Individualismus ist ohnehin ein Stichwort. Währen man im Konzern einer von vielen, eine Nummer, wie viele sagen, ist, erlaubt es der Mittelstand auf einzelne Mitarbeitende einzugehen und Rücksicht zu nehmen. Das sind unschlagbare Qualitäten, denn die arbeitende Gesellschaft wird immer diverser und will gleichzeitig Freizeit, Familie und Beruf gut unter einen Hut bringen. ‘One fits‘all reicht nicht mehr aus; eine zielgruppenspezifische Handhabe ist auch nach innen gefragt.     

Hintergrund: Mittelstand in Deutschland 

Die deutsche Wirtschaft wird traditionell von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) geprägt. Der Mittelstand in Deutschland umfasst etwa 3,5 Millionen Unternehmen, die zusammen mehr als 60% der Arbeitsplätze im Land stellen. Diese Unternehmen sind in verschiedenen Branchen tätig, darunter Fertigung, Handel, Dienstleistungen und Technologie. Viele sind auch international tätig und tragen maßgeblich zum deutschen Handelsbilanzüberschuss bei.  Die meisten mittelständischen Unternehmen sind familiengeführt und haben oft eine lange Tradition. Sie zeichnen sich durch ihre Flexibilität, Innovationskraft und hohe Qualitätsstandards aus. Der Mittelstand steht jedoch auch vor Herausforderungen, ganz vorne mit dabei dem Fachkräftemangel    

Herausforderungen im Mittelstand 

Knapp 80 Prozent der deutschen KMUs tun sich schwer damit, qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Das gilt laut Bundesagentur für Arbeit insbesondere im Handwerk, der Baubranche sowie in technischen Berufsfeldern und in Gesundheits- und Pflegeberufen. Der Fachkräftemangel führt sogar bei jedem zweiten mittelständischen Unternehmen zu nennenswerten Umsatzverlusten.  Hinzu kommen steigende regulatorische Anforderungen und der digitalen Wandel, der in vielen KMU noch immer am Anfang steht. Laut aktueller Studie des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) schreiben nur 8% der mittelständischen Unternehmen ihrer Belegschaft eine hohe Anpassungsfähigkeit im digitalen Wandel zu.  Insgesamt ist der Mittelstand ein wichtiger Motor der deutschen Wirtschaft und trägt maßgeblich zur Stabilität und Prosperität Deutschlands bei.

 

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Tags: Arbeitgeberattraktivität, Fachkräftemangel, KMU, Mittelstand
vom 10.01.2024 / © VonVorteil